Unbekannte Plätze in Ludwigsburg – Der Goetheplatz

Ein herzliches Guten Abend Ihnen allen. Ich freue mich, dass ich Ihnen heute etwas über den Goetheplatz erzählen darf, an dem mein Mann und ich schon lange wohnen.
Der Goetheplatz: „Wo ist das eigentlich?“ bin ich schon oft gefragt worden. Wie kommt man denn dahin? Ich zeige es Ihnen mit ein paar Fotos:
Sie kennen alle die B27, die Stuttgarter Straße. Wenn Sie aus der Stadt heraus Richtung Stuttgart fahren ordnen Sie sich gleich nach der Shell-Tankstelle links ein und biegen ab Richtung Grünbühl. Kurz danach geht es dann rechts ab in die Königsallee Richtung Karlshöhe, immer am Salonwald entlang und schließlich an dem unscheinbaren Schild „Goethestraße/Goetheplatz“ nochmal rechts ab und schon sind Sie da.
Es war schwierig, im Stadtarchiv oder in der Stadtbücherei etwas über die Entstehungsgeschichte des Goetheplatzes zu finden, da es sich halt nicht um einen historischen Platz handelt. Schließlich wurden wir in unserem eigenen Bücherregal fündig und zwar in dem kleinen Band „Kunst- und Kulturdenkmale im Kreis Ludwigsburg“ von Ulrich Gräf, das 1986 erschienen ist. Unter dem Stichwort „die bürgerliche Stadt“ erfahren wir folgendes:
„Eine Weiterentwicklung der barocken Stadtanlage stellt die 1910 von Theodor Fischer geplante Südstadt dar. Unter Beibehaltung wichtiger Achsenbeziehungen werden nun im Sinne der Gartenstadtbewegung Straßen und Plätze geschaffen, die nicht mehr durch strenge Ordnungsprinzipien des Barock gekennzeichnet sind, sondern malerischen Charakter in der Ausformung von Platz, Straße und Bebauung haben. Ein reizvolles Beispiel für eine Platzgestaltung um 1910 ist der Goetheplatz. Eine ganze Reihe schöner Gebäude kündet von der Südstadt als bevorzugter Villengegend“.

Bebauungsplan Goetheplatz

Auf dieser Karte sehen Sie die Anordnung der Häuser um den rechteckigen Platz. Alle rot markierten Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Rechts am Bildrand die grüne Fläche ist der Salonwald, parallel dazu verläuft die Königsallee, einmal die Fahrstraße und der Fuß- und Radweg, der an der Grünen Bettlade endet. Dieses Plätzchen kennen Sie sicher alle.
Der Bebauungsplan wurde von Theodor Fischer bereits 1908 vorgelegt „für ein vornehmes Wohnviertel“. In der Mitte des Planquadrats sollte „ein Rechteckplatz entstehen, der im Zusammenhang mit den zulaufenden Straßen das Prinzip der Windmühle aufnimmt“. Das kann man so ungefähr nachvollziehen.
Sie sehen auf dem Plan auch, dass es an Goethestraße und Goetheplatz z.T. die gleichen Hausnummern gibt. Die Goethestraße führt von der Königsallee in einem Knick an den Platz und weiter bis zur Einmündung in die Stuttgarter Straße. Die Häuser, die sich an den übrigen 3 Seiten des Platzes gruppieren, tragen die Bezeichnung „Goetheplatz“. Das hat natürlich schon vielfach zu Irritationen bei neuen Briefträgern oder bei Handwerkern geführt. Aber wir pflegen gute Nachbarschaft und falsche Zustellungen trägt man halt kurz zur richtigen Adresse rüber. Und seit der Erfindung des Navis verirren sich auch die Handwerker nur noch selten.
Ich möchte Ihnen jetzt die Häuser vorstellen, die unter Denkmalschutz stehen. Die Schwarz-Weiß-Fotos dazu habe ich aus dem Stadtarchiv. In der Stadtbücherei habe ich dann später festgestellt, dass sie aus dem Buch „Denkmaltopographie“, Band 1.8.1, Stadt Ludwigsburg stammen. Ich beginne mit der Hausnummer 1 und arbeite mich dann aufwärts durch.

Goetheplatz 1/Goethestraße 1

Dieses Doppelhaus hat die Adresse Goethestraße 1 und die andere Hälfte Goetheplatz 1. Es wurde 1911 bis 1912 erbaut nach Plänen von Adolf Knecht. Wir sehen zwei 2geschossige Haushälften mit Walmdach, seitlichen Balkonerkern, seitlichen Treppenhäusern und sog. Risaliten an der Front. Dieses mir unbekannte Wort habe ich nachgeschlagen: Das kommt vom italienischen „risalto“ und bedeutet einfach „Vorsprung“.
Ich zitiere die Definition aus dem Internet: Ein Risalit ist ein aus der Fluchtlinie des Baukörpers herausspringender Gebäudeteil und ist ein Mittel zur Fassadengliederung und zur Hervorhebung wichtiger Bauteile. Es stammt aus der Renaissance und dem Barock, wurde aber auch noch später verwendet“. Die wichtigen Bauteile sind in diesem Fall die Wohnzimmer, die dahinter liegen.
FOTO Goethestraße 2 und 4
Wir sehen ein weiteres Doppelwohnhaus, erbaut 1911 durch Adolf Knecht. Charakteristisch ist das Walmdach, aus dem das Dachgeschoss als Doppelzwerchhaus herausragt. Ein Zwerchhaus ist ein ein- oder mehrgeschossiger Aufbau eines geneigten Daches. Es hat einen Giebel und ein eigenes Dach. Die Zwerchhäuser wurden erfunden, um mehr Licht in ein Dachgeschoss zu bringen. Darunter liegt ein doppelter Flacherker aus Werkstein, d.h. aus Natursteinen, die von Steinmetzen behauen wurden.
Goetheplatz 2 und 5 stehen nicht unter Denkmalschutz, sind aber auch schöne Häuser.

Goethestraße 6
Das ist das Haus, in dem wir wohnen, leider gehört es uns nicht. Es wurde ebenfalls nach Plänen von Adolf Knecht 1911 als Zweifamilienhaus gebaut. Es handelt sich um einen Putzbau mit Mansardgiebeldach und einem markanten Eckerker aus Sandstein.
Was versteht man unter einem Mansardgiebeldach? Ich habe diese Definition gefunden: Ein solches Dach ist optisch ein Zugewinn für ein Haus, denn es wirkt im Vergleich zu einem Flachdach oder Satteldach ansprechender und exclusiver. Nachteile sind höhere Wartungs- und Baukosten. Erfunden wurde das Dach aus steuerlichen Gründen. Die Grundsteuer wurde nach der Zahl der Vollgeschosse erhoben und ein Dachgeschoss ist eben kein Vollgeschoss. Trotzdem hat diese Wohnung keine schrägen Wände. Durch seine Lage ist das Haus ein Bindeglied zwischen Goethestraße und Goetheplatz.
FOTO Goetheplatz 6 (Haus Haubold)
Es wurde erbaut nach Plänen des Architekten Hermann Henes, der z.B den Marmorsaal und das Teehaus im Weißenburgpark in Stuttgart oder die Tal- und Bergstation der Merkurbergbahn in Baden-Baden gebaut hat. Der längliche Bau wird durch ein sog. Kielbogendach betont. Es sieht aus wie ein umgedrehtes Schiff. Die geschindelte Giebelfront ist durch ein Vordach vom Erdgeschoss abgesetzt. In der Mitte befindet sich ein Runderker. Seitlich finden wir einen Vorbau mit polygoner Dachhaube. Und ganz oben auf dem Dach befindet sich ein vergoldeter Wetterhahn. Am allerschönsten ist das Haus aber im Dezember mit üppiger Weihnachtsbeleuchtung, denn hier wohnt eine teilweise amerikanische Familie.

 

Goetheplatz 7
Das Haus wurde 1913/1914 gebaut. In seiner Form als Landhaus nimmt es Bezug auf das ältere Nachbarhaus Nr. 6. Es besitzt ein Mansardendach und einen seitlichen Erker an der verschindelten Giebelfront.

 


Goetheplatz 8 + 9
Diese Häuser stehen auch nicht unter Denkmalschutz. Sie stammen aus den 50er und 60er Jahren. In Haus Nr. 9 hat vor zwei Jahren mal ein Herzog von Württemberg gewohnt, ein sehr freundlicher Herr mit seiner Familie und ein Bruder des Herzogs, der von der Hofkammer Monrepos bekannt ist. Wenn ich ihm auf der Straße begegnet bin, habe ich ihn gegrüßt mit „Guten Morgen, Herr von Württemberg“. Das war zunächst recht eigenartig, aber alle Nachbarn haben sich rasch daran gewöhnt.

 

Goetheplatz 10
Das Haus stammt aus dem Jahr 1914 und ist das jüngste des Goetheplatzensembles. Es übernimmt die Gestaltungskriterien des Heimatstils wie bei den Häusern Nr. 6 und 7. Der Begriff „Heimatstil“ ist nicht ganz leicht zu definieren. Er stammt ursprünglich aus der Romantik. Man spricht manchmal auch von Schweizerhaus- oder Chaletstil. Die verschindelten Giebel sind ein Merkmal dafür, aber die verschiedenen Begriffe gehen in einander über und können nicht scharf abgegrenzt werden.
Zur Straßenseite hin besitzt das Haus einen Standerker, das ist ein vom Erdboden aufsteigender Vorbau, ein architektonisches Gestaltungselement, das auch zur Erhöhung des Wohnwertes dient. Wie alle Erker macht er die Wohnung heller und geräumiger.

Johanna Grünewald
Jetzt habe ich Ihnen alle unter Denkmalschutz stehenden Gebäude am Goetheplatz vorgestellt. Etwas ist mir aber noch sehr wichtig: Vor dem Haus Goetheplatz Nr. 2 finden wir auf dem Boden einen Stolperstein in Erinnerung an Johanna Grünewald. Sie sehen hier eine Fotomontage. Im Jahr 1941 wurde sie in Hadamar ermordet. Ihr erster Mann war im ersten Weltkrieg gefallen und diesen schweren Schicksalsschlag hat sie wohl nicht verkraftet. Sie hat zwar noch einmal geheiratet und ein Kind bekommen, aber sie wurde schwermütig und in psychiatrische Kliniken gebracht. Weil sie nicht geheilt werden konnte, fand sie ein gewaltsames Ende in der Gaskammer.
Ein Großneffe von Johanna Grünewald hatte Recherchen begonnen und die Verlegung eines Stolpersteins angeregt. Im April 2012 war es dann soweit. Ich zeige Ihnen ein Foto, das bei diesem Anlass entstanden ist. So ist sie nicht in Vergessenheit geraten.

 

Sie haben gesehen: am Goetheplatz zu wohnen ist sehr schön. Nicht nur die alten Häuser sind schön, auch der Rasenplatz in der Mitte hat seine eigene Geschichte und ist zu jeder Jahreszeit schön anzuschauen. Viele Jahre lang stand eine riesige doppelstämmige Birke in der Mitte des Platzes, aber im Jahr 2001 hat sie bei einem schweren Gewitter der Blitz getroffen. Mehrere Anwohner haben das beobachtet. Von da an hat der Baum gekränkelt, er wurde zwar immer wieder ausgeschnitten, aber schließlich wurde er durch zwei neue Bäumchen ersetzt. An den Rändern der Rasenfläche war früher eine umlaufende Blumenrabatte zu sehen. Die Bepflanzung und die Pflege im Sommer wurden der Stadt aber wohl zu teuer und so wurde die Rabatte eines Tages entfernt. Auf massive Proteste eines älteren Anwohners, der sich immer sehr für den Goetheplatz eingesetzt hat, wurde ein Kompromiss gefunden und es wurden an den vier Ecken Staudenbeete angelegt. Die sind auch ganz schön und auf jeden Fall wesentlich pflegeleichter und dadurch billiger.,

Bilder vom Goetheplatz aus verschiedenen Jahreszeiten

         
Ich möchte Ihnen vorschlagen, sich den Goetheplatz einmal selbst anzuschauen. Machen Sie einfach einen Spaziergang und sehen Sie sich die Häuser an. Anschließend könnten Sie noch weitergehen Richtung Salonwald über die grüne Bettlade und weiter zum Salonwald, wo jetzt die Veilchen und die Buschwindröschen blühen Veilchen und Buschwindröschen -. Im Frühling ist der Salonwald am schönsten. Wenn die Sonne scheint breitet sich ein weißer Teppich unter den Bäumen aus, einfach traumhaft schön! –


Ich wünsche Ihnen einen schönen Spaziergang und sage vielen Dank fürs Zuhören.
Dankeschön.

Christa Mugele