Ludwigsburger Kasernen und Kasernengeschichten

Kurzfassung des Vortrages vom 19. 9. 2018 von Dieter Hornig

Gemäß der Vorgabe aus dem „Schwäbischen Potsdam“ von Wolfgang Läpple werden rund 150 Militäranlagen (nicht nur Kasernen) in Ludwigsburg, die im Laufe von rund 300 Jahren bestanden, vier Zeitabschnitten zugeordnet:
* 1726 (vermutlich erste Kaserne) bis 1871 (Reichsgründung)
* 1872 bis 1914 (Beginn 1. Weltkrieg)
* 1915 bis 1945 (Ende 2. Weltkrieg)
* 1945 bis 1994 (Abzug der letzten militärischen Einheiten)

Die ehemalige `Kanzleikaserne`, Wilhelmstraße 1-5 (heute Stadtverwaltung) ist eines der Beispiele aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als – in der Regel – ursprünglich zivil genutzte Gebäude zu militärisch genutzten umgewidmet wurden. Mit der mehrfachen militärischen Belegung damals vorhandener Bausubstanz der noch wenig umfangreichen Ansiedlung neben dem Schloss wurde das Militär nahtlos ins Stadtgeschehen und Stadtbild eingebunden.
Als in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts Ludwigsburg sich zum Hauptwaffenplatz Württembergs entwickelt hatte, erforderte die Unterbringung nunmehr `Stehender Heere` größere und damit auch neu zu erstellende Bauwerke: Wie z.B.das ursprüngliche `Arsenalmagazin` (im 19. Jahrhundert aufgestockt, heute Staatsarchiv) , wie auch die ehemalige `Wilhelmskaserne` (heute Einkaufszentrum) jeweils am Arsenalplatz , oder auch die ehemalige `Reiterkaserne`am Karlsplatz (heute Staatliches Vermögens und Bauamt).

Wegen ihrer großen Ausdehnung und besonderen Bedeutung wurden sie in städtebaulich hervorragender Lage jeweils Platzanlagen (Paradeplätzen) zugeordnet und ins Stadtgeschehen eingebunden. So sind sie bis heute Zeugen, aber auch wichtige Bausteine eines individuellen Stadtbilds einer ehemaligen Militärstadt.

Die Geschichte der ehemaligen `Wilhelmskaserne` bzw. des Vorgängerbaus ihres Südflügels, dem ehemaligen `Baumagazingebäude`(auch ein ehemaliges Konversionsobjekt), ist mit der Geschichte der `Regimentsgans` unvergesslich verknüpft: Sie war einst aus großer Not und Gefahr von Regimentsangehörigen aus dem Neckar gefischt worden Seitdem wich sie den jeweiligen Wachen des Reiterregiments nicht mehr von der Seite und versah ihren Wachdienst über sagenhafte 20 Jahre hinweg täglich gewissenhaft als ein treuer und wachsamer Kamerad.

Mit der Reichsgründung waren Militärgesetzgebung und Wehrhaushalt in die Zuständigkeit des Deutschen Reichs übergegangen. – Eine Entwicklung, die die Militärarchitektur und das Stadtbild auch in Ludwigsburg aufgrund der preußischen Dominanz grundlegend verändern sollte. Mit den vielen neuen Militäranlagen fand die ursprünglich eher norddeutsch-preußische Verwendung des Backsteins als Sichtmauerwerk seine Verbreitung auch in Ludwigsburg. Bis zum Beginn des 1. Weltkriegs hatte sich in dem seither unbebauten Areal östlich der Stuttgarter Straße eine von der Reststadt sich distanzierende und durch hohe Mauern abschirmende, eigenständige `Militärstadt´ entwickelt. Mit ihrer importierten Architektur war und ist bis heute neben der Barockstadt eine zweite, lange nicht erkannte/anerkannte Stadtbildqualität für Ludwigsburg entstanden.

Die frappierende Ähnlichkeit der Ludwigsburger Militäranlagen mit dem Kultbau der `Bauakademie` als revolutionärer Bau der 1830-er Jahre des preußischen Baumeisters Friedrich Schinkel in Berlin z.B. mit dem ehemaligen `Artilleriedepot`in der Mathildenstraße (heute Filmakademie) rund 70 Jahre später ist nicht zu übersehen.

Diese Sichtverwendung des Backsteins wurde auch von der nichtmilitärischen Architektur übernommen und führte zu konjunkturellen Hochzeiten der Ziegeleiherstellung. Verschiedene Straßenzüge wie die Hofer- oder auch die Bogenstraße aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert zeugen noch davon.

 

 

Nach dem 1. Weltkrieg waren die meisten Anlagen nicht mehr militärisch belegt. Sie dienten in der Mehrzahl als wohlfeile Behausungen für die unterschiedlichsten zivilen Nutzungen. – So auch das ehemalige `Alte Wagenhaus` (an der Stelle des heutigen Goethe-Gymnasiums) in der Seestraße. Unter Federführung des Dipl. Ing. Toku Baelz (Sohn des Bietigheimers Erwin Baelz, der seinerzeit am japanischen Hof des Tenno die europäische Medizin eingeführt hatte) waren in den Altgebäuden in den 1920-er Jahren die `Vereinigten Ludwigsburger Werkstätten` untergekommen. – Ein Zusammenschluss mehrerer Kunst- und Handwerksbetriebe mit rund 150 Mitarbeitern, die von den Bewegungen jener Zeit getragen waren, beide Betätigungsweisen jener Zeit zusammenzuführen. Der Gedanke an Bauhaus, Werkbund und Wiener Werkstätten dürfte nicht ganz von der Hand zu weisen sein.

In den 1920-er Jahren zur Zeit der sehr geschrumpften Reichswehr stellte der Neubau der ehemaligen `Kraftfahrzeughalle`in der Alleenstraße (heute Filmakademie) eine absolute Ausnahme dar. Am Sockel des im ursprünglichen Expressionismus-Stil erstellten und dann über Jahrzehnte hinweg vernachlässigten Bautrakts an der Ecke Gewächshausweg/Alleenstraße war noch bis in die 1990-er das Graffito „Soldaten folgt Scheringer“ zu entziffern.

Der sogenannte `Rote Leutnant` Scheringer hatte noch vor 1930 entgegen des Verbots der politischen Betätigung versucht, nationales Gedankengut auch im Sinne von Adolf Hitler unter seinen Kameraden zu verbreiten. Anlässlich des folgendes Strafprozesses war Hitler als Zeuge geladen und machte dabei eine Aussage, die in die deutsche Geschichte als `Legalitätseid` eingehen sollte: – Er erklärte, dass die Nationalsozialisten die Regierungsmehrheit nur auf verfassungmäßiger Weise anstreben.

Mit der Wiederaufrüstung Mitte der 1930-er Jahre wurden nicht nur die alten Anlagen wieder militärisch belegt, es entstand auch ein Bedarf an neuen Kasernenarealen. Sie wurden aus taktischen Gründen möglichst weit weg von der damals bebauten Ortslage erstellt.- Wie z.B. die ehemalige `Frommann-Kaserne`(heute Gewerbegebiet) im Westen oder auch die ehemalige `Flakkaserne (heute attraktives Wohngebiet) im Osten der Stadt. Die städtebauliche Anordnung dieser Anlagen

ähnelte den zivilen Stadterweiterungen jener Zeit, sie unterschieden sich nur darin, dass die militärischen Dächer aus Schutzgründen in Beton gegossen waren.

In den 1930-er Jahren wurde die Bevölkerung Kontinuierlich u.a. auch mit Luftschutzübungen an eine drohende Kriegsgefahr gewöhnt.- Die Ludwigsburger insbesonders eindringlich wegen der vielen Militäranlagen und der Nähe zum Erzfeind Frankreich. Das Gegenteil sollte eintreten. Einer Gesamtaufstellung der Bombenschäden im 2. Weltkrieg ist zu entnehmen, dass die in der Regel inzwischen kriegswichtigen Industrieanlagen und die Bahnlinie Stuttgart – Heilbronn gezielt angegriffen, die Militäranlagen bis auf weniges verschont wurden. Dies war entgegen der damaligen Meinung der Ludwigsburger nicht der erhofften Fürbitte der deutschstämmigen Queen Mary von Teck, der Großmutter von Queen Elisabeth, sondern der wohlüberlegten Entscheidung der Alliierten zu verdanken, für ein bevorstehende Besetzung von Deutschland eine noch intakte militärische Infrastruktur vorfinden zu wollen.

Mit der Aufstellung vom Sommer 1945 für die Amerikaner mit der Neubelegung der verlassenen militärischen Anlagen für z.B. Displaced Persons, alliierte Truppen, Lager für deutsche verdächtige Gefangene , Flüchtlinge u.a. ist diese Annahme nachvollziehbar.

Eine weitere Karte mit den einst rund 90 militärischen Anlagen zwischen 1945 und 1994 zeigt das enorme Konversionspotential für eine städtebauliche Entwicklung seit 1945 unter den verschiedensten Bedingungen. -Ein Vorgang, der bis heute noch nicht endgültig abgeschlossen ist.